Zweite Zwischenbilanz des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
„Baden-Württemberg hat die Zukunftsfragen des Gesundheitsstandorts schon weit vor der Corona-Pandemie auf die politische Agenda gesetzt. Heute profitieren wir von diesen tragfähigen Strukturen und Netzwerken“, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Freitag (23. Oktober 2020) in Stuttgart anlässlich der virtuellen Zwischenbilanz des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg.
„Mit unseren Projekten demonstrieren wir die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitsstandorts und denken Medizin neu. Dabei setzen wir auf drei zentrale Punkte: auf die Digitalisierung in der Medizin, auf die Personalisierte Medizin, die in diesem Bereich ein ähnlicher Treiber ist wie die Dekarbonisierung beim Auto, sowie auf die bestmögliche Qualifizierung des Personals“, so Kretschmann weiter. Mit insgesamt 50 Millionen Euro werden 42 Projekte aus den Bereichen Gesundheitsforschung, -wirtschaft und -versorgung unterstützt.
Zur Zwischenbilanz des Forums trafen sich rund 360 Akteure virtuell und diskutierten die Auswirkungen der aktuellen Corona-Pandemie sowie die Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Gesundheitsbereichs. Zudem ließen sich die Expertinnen und Experten aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, Forschungsinstituten und Universitäten sowie Pharma- und Medizintechnikfirmen auf den aktuellen Stand der vom Land geförderten Projekte bringen.
Zukünftig sollen etwa neuartige Algorithmen auf Intensivstationen die von Überwachungsgeräten gesammelten Daten auswerten und frühzeitig erkennen, wenn sich schwerwiegende Komplikationen anbahnen. Auch die Fortschritte der Personalisieren Medizin – die sich etwa auf molekulare Diagnostik und Medikamentenentwicklung für die Krebstherapie beziehen – werden mit Hilfe des Forums in die Fläche gebracht werden. Im Rahmen eines weiteren Projekts lernen mittelständische Medizintechnikunternehmen, wie sie Methoden der Künstlichen Intelligenz zur Weiter- und Neuentwicklung ihrer Produkte nutzen können.
Der Vorstandsvorsitzende von CureVac aus Tübingen Dr. Franz-Werner Haas spannte die Brücke zwischen den im Forum geförderten Innovationen und der inzwischen weltweit bekannten Arbeit seines Unternehmens. CureVac ist eines von mehreren Unternehmen in Deutschland, das an einem Corona-Impfstoff forscht. Für Dr. Haas benötigen Innovationen Zeit, Investitionen sowie eine gute wissenschaftliche und wirtschaftliche Infrastruktur. „Das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg bringt verschieden Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Versorgung zusammen. Damit haben wir ein starkes Netzwerk aus Experten der regionalen Gesundheitswirtschaft aufgebaut“, so Dr. Franz-Werner Haas.
In diesem Netzwerk arbeiten die Akteure erfolgreich zusammen. Mit Hilfe der Vorarbeit im Forum hat sich das Land etwa bei der EU über Monate hinweg intensiv für einen Anpassung der Europäischen Medizinprodukte-Verordnung eingesetzt. Die Initiative hat sich gelohnt: Das Europäische Parlament hat die Übergangsfrist für die Zulassung bestimmter Produkte verlängert. Diese Änderungen tragen maßgeblich zur Sicherung der Existenz vieler kleiner und mittlerer Medizintechnikunternehmen hierzulande bei und gewährleisten die Versorgung von Patienten mit wichtigen Medizinprodukten.
Auch in einem weiteren wichtigen Punkt konnte durch das Forum ein Erfolg erzielt werden: Die eigentlich zur Vereinheitlichung gedachte EU-Datenschutz-grundverordnung war aufgrund der zahlreichen Öffnungsklauseln in Deutschland zu einem Flickenteppich geraten. Der Bund hat nun die Vorschriften harmonisiert. Dies war ein wichtiges Anliegen des Forums. Auf seine Initiative konnten weitere Folgevereinheitlichungen auf den Weg gebracht werden. Das hilft Forschungsinstituten und Unternehmen, die auf anonymisierte Daten angewiesen sind, innovative Medizinprodukte und Arzneien zu entwickeln.
Die Leiterin des NMI – Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen Prof. Dr. Katja Schenke-Layland ist eine von neun Sprecherinnen und Sprechern des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg. Ihr Institut setzt auf interdisziplinäre Arbeit und betreibt anwendungsorientierte Forschung an der Schnittstelle von Bio- und Materialwissenschaften. Über die gemeinsame Arbeit im Forum sagt sie: „Das Forum bietet tragfähige Strukturen und ein multidisziplinäres Netzwerk, um unser Wissen zu bündeln und unsere Kompetenzen zu vernetzen. Ziel ist es, die exzellente Ausgangslage in Wissenschaft, Wirtschaft und Versorgung im Land weiter auszubauen. Wie wichtig diese Arbeit ist, hat uns nicht zuletzt die Corona-Pandemie in den letzten Monaten eindrücklich gezeigt.“
Das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg:
Beim Auftakt zum Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg am 12. Juli 2018 haben sich die Beteiligten darauf verständigt, in einem strategischen Prozess mit Unterstützung der Landesregierung Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um den Gesundheitsstandort Baden-Württemberg auf ein höchstmögliches Niveau zu entwickeln.
Die Themen des Forums sind in drei Blöcken dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und dem Ministerium für Soziales und Integration zugeordnet. Die Gesamtkoordinierung erfolgt durch das Staatsministerium. Innerhalb dieser Themenblöcke bringen die Akteure des Forums ihre Ideen zur Weiterentwicklung des Gesundheitsstandorts ein. Die dafür vorgesehenen Gremien stehen grundsätzlich allen Akteuren des Forums offen, um so die Anliegen aller Bereiche einbringen zu können.
Die BIOPRO Baden-Württemberg GmbH ist als Landesgesellschaft mit einer umfassenden Bündelungs-, Koordinierungs- und Geschäftsstellenfunktion für das Forum betraut. Nach wir vor besteht die Möglichkeit, Akteur beim Forum Gesundheitsstandort zu werden. Nähere Auskünfte hierzu gibt die BIOPRO unter E-Mail forum.gsbw(at)bio-pro.de, Telefon: 0711 218185-31.
Anlage 1 zur Pressemitteilung:
Statements zur Zweiten Zwischenbilanz des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Dr. Nicole-Hoffmeister-Kraut:
„Die Digitalisierung und ganz besonders die Künstliche Intelligenz wird die Patientenversorgung in kürzester Zeit revolutionieren. Aber auch wirtschaftlich müssen wir die Potentiale der Schlüsseltechnologie zur Stärkung unseres Gesundheitsstandortes nutzen. Wir dürfen hier keine Zeit verlieren, denn der globale Innovationswettbewerb wartet nicht auf uns. Im Rahmen der KI-Strategie fördern wir daher eine Vielzahl von Initiativen, um die Forschung und vor allem auch die Entwicklung innovativer KI-basierter Produkte und Dienstleistungen ‚made in Baden-Württemberg‘ voranzutreiben.
Mit einem KI-Innovationspark mit Weltklasseformat wollen wir maßgeblich dazu beitragen, Entwicklungspotenziale für Baden-Württemberg zu erschließen. Auch im Gesundheitsbereich wollen wir künftig nicht nur Nutzer, sondern vor allem auch global bedeutender Lieferant von KI-basierten Produkten und Dienstleistungen sein.
Industriefelder wie der Maschinenbau oder Automobilzulieferer, die momentan besonders von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen sind, könnten ihre Kompetenzen auch in der Medizintechnik einsetzen. Auf diese Weise können wir die Innovations- und Kapitalstärke der klassischen Industriesektoren zur Stärkung der Gesundheitsindustrie nutzen und den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg nachhaltig für die Zukunft aufstellen.“
Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Theresia Bauer:
„Die Medizin entwickelt sich mit Hilfe der Digitalisierung sprunghaft weiter. Die Möglichkeit, riesige Datenmengen von Patientinnen und Patienten zu sammeln und auszuwerten, verändert unser Wissen um Gesundheit und Krankheit. Dank beeindruckender Innovationen in diesem Bereich in Verbindung mit exzellenter Forschung werden immer mehr Erkrankungen behandelbar – oder sogar heilbar.
Es ist erklärtes Ziel der Gesundheitsforschung, Forschungsergebnisse schneller zum Patienten zu bringen. Die Standorte der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung in Baden-Württemberg haben daher Projekte gestartet, die an den Schnittstellen zwischen den Krankheitsgebieten liegen. Eine Zusammenarbeit zwischen den DZG-Standorten in Baden-Württemberg bietet optimale Voraussetzungen, um die Forschung an diesen Schnittstellen voranzubringen und schnell zum Wohl der Patienten umzusetzen.
Eine exzellente Ausbildung, Weiterbildung und akademische Qualifizierung der angehenden Medizinerinnen und Mediziner sowie der Gesundheitsfachkräfte ist unsere Antwort auf die sich verändernden gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Anforderungen. Die Schaffung von fünf Regionen für ärztliche Ausbildung, die in interprofessionellen Modulen die Grundlagen der innovativen Versorgung vermitteln, ist dabei ein wichtiger Baustein.
Notwendig ist zudem die Entwicklung neuer Curricula, die auf eine interprofessionelle Versorgung abzielen, sowie Digitalisierung und wissenschaftliches Arbeiten bereits in der Ausbildung stärker verankern. Damit eröffnen wir zudem dem ärztlichen Nachwuchs sowie den Gesundheitsfachberufen attraktive neue Karrierewege. Dies ist mir ein wichtiges Anliegen.“
Minister für Soziales und Integration Manfred Lucha:
„Personalisierte Medizin ist ein Mega-Thema. Aus Sicht der Gesundheitsversorgung hat die Personalisierte Medizin ein klares Ziel: Die Entwicklung maßgeschneiderter Diagnose-und Therapieverfahren. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein unmittelbarer Austausch zwischen Forschung und Anwendung unverzichtbar. Dazu brauchen wir auch neue Strukturen.
Ich bin sehr stolz darauf, dass wir in BW mit den Zentren für Personalisierte Medizin – die ZPM – sehr gut aufgestellt und ‚natürlich‘ bundesweit führend sind. Das Projekt ‚ZPM-Netzwerk‘ ermöglicht allen Patientinnen und Patienten im Land den Zugang zur personalisierten Medizin.
Zunächst werden die bewährten Strukturen der onkologischen Versorgung angebunden. In einem zweiten Schritt erfolgt dann die Erweiterung auf komplexe entzündliche Erkrankungen. Ich bin mir sicher, dass dieser Ansatz die Patientenversorgung im Land einen großen Schritt voranbringt.“
Anlage 2 zur Pressemitteilung:
Beispielhafte Projekte, die vom Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg gefördert werden
AMBIGOAL: Ambulante Integrierte Gesundheitszentren zur Optimierung der ärztlichen Versorgung und Pflege im ländlichen Raum
Der demographische Wandel stellt die hausärztliche Versorgung und Pflege gerade in ländlichen Regionen vor große Herausforderungen. Das Bedürfnis nach einer personalisierten und sektorübergreifenden Versorgung steht der geringen Anzahl von Hausärzten und medizinischem Fachpersonal im ländlichen Raum gegenüber.
Unter Federführung der Universität Heidelberg will das Projekt AMBIGOAL in Anlehnung an kommunale Gesundheitszentren – wie sie beispielsweise in den Niederlanden oder Skandinavien bereits üblich sind – die medizinische Versorgung, Prävention und Pflege stärker intersektoral in das bestehende regionale System der hausärztlichen Primärversorgung integrieren. Durch die Einbindung weitergebildeter medizinischer Fachkräfte, digitaler Lösungsansätze wie der Telemedizin, der Künstlichen Intelligenz zur Neustrukturierung von Versorgungsprozessen sowie lokaler zivilgesellschaftlicher Kooperationspartner entsteht durch AMBIGOAL eine zukunftsweisende Vernetzungsplattform. Durch die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Arztpraxen in der Pilotregion Nordschwarzwald, durch Unternehmen wie der SHE AG und Krankenkassen wie der BARMER Ersatzkasse wird damit ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung der Gesundheitsversorgung für die Menschen vor Ort geleistet. Dir Bürgerinnen und Bürger profitieren dabei insbesondere von drei Faktoren:
Die Bürgerinnen und Bürger profitieren etwa unter folgenden Gesichtspunkten:
- dem Ausbau und Erhalt einer qualitativ wohnortnahen und hochwertigen hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum,
- der patientenzentrierten, zuwendungsorientierten Betreuung mit Integration von Versorgung, Prävention und Gesundheitsförderung
- der vereinfachten und durch digitale Lösungen unterstütze Einbindung von erforderlicher Fachkompetenz, etwa von Fachärzten.
Neuartige Algorithmen für die Herzchirurgie: Entwicklung und Implementierung eines auf Künstlicher Intelligenz basierenden Systems zur Verbesserung der Therapie von herzmedizinischen Intensivpatienten
Hierbei handelt es sich um ein Anwendungsbeispiel für Künstliche Intelligenz in der Patientenversorgung mit sofortiger Verbesserung des Patientenüberlebens auf Intensivstationen. Dieses Projekt soll es ermöglichen, die auf den Intensivstationen von den diversen Überwachungsgeräten erzeugten Datenmengen so auszuwerten, dass die auf den Stationen tätigen Ärztinnen und Ärzte und auch das Intensivpflegepersonal schwerwiegende Komplikationen schon frühzeitig erkennen und verhindern können. Damit sollen die Patientensicherheit während der intensivmedizinischen Behandlung erhöht und postoperative Komplikationen vermieden werden. So kann zur Reduktion von Sterblichkeit, Krankheitsschwere und der Liegezeiten auf der Intensivstation beigetragen werden.
Hierzu sollen neuartige Algorithmen eingesetzt und deren Nutzen im Rahmen einer klinischen Studie ausgewertet werden. Beginnend auf der herzchirurgischen Intensivstation soll aufbauend auch auf der Erfahrung des Deutschen Herzzentrums Berlin eine Ausweitung auf andere chirurgische Intensivstationen vorgenommen werden, um die Skalierbarkeit der Technologie zu demonstrieren. Darüber hinaus soll das Wertschöpfungspotenzial derartiger digitaler Innovationen für andere Bereiche der Krankenhausversorgung untersucht werden, um ein Konzept für einen „Digital Health Accelerator“ zu entwickeln.
ANIMMED: Anwendungszentrum für Intelligente Maschinen in der Medizintechnik
Das Ziel des Projekts ANIMMED ist ein Angebot speziell an die kleinen und mittelständischen Medizintechnikunternehmen in Baden-Württemberg. Es wird die Unternehmen in die Lage versetzen, mit überschaubarem Aufwand und in einem absehbaren Zeitraum, die Methoden der Künstlichen Intelligenz zur Weiter- oder Neuentwicklung ihrer Produkte zu nutzen. Das Anwendungszentrum unterstützt die Unternehmen gezielt an den neuralgischen Punkten bei der KI-Anwendung für Medizinprodukte. Etwa bei der Technologieberatung und -training, bei klinischen Anwendungs- und Machbarkeitsuntersuchungen, beim Zugang zu Trainingsdaten, beim Umgang mit den Regularien oder bei der Unterstützung eines unternehmenseigenen Entwicklerteams.
Die enge Vernetzung der Partner und deren Lage auf dem Campus der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) bietet ein optimales Ökosystem für das Projekt: Die Mediziner und die Einrichtungen der UMM, das Heinrich-Lanz-Zentrum (HLZ) als Spezialist für die Datengewinnung aus klinischen Quellen und die Fraunhofer-Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie (PAMB) mit seiner Erfahrung als KI-Anwendungsentwickler und Betreiber des Mannheimer Medical Transfer Centers M2TC sorgen für eine zügige operative Projektdurchführung.