Ein Futterschieberoboter im Stall, neue Kälberboxen, Blühstreifen und ein bunter Mix an Früchten und Klee auf dem Acker – auf dem Hof von Landwirt Mario Frese hat sich in den vergangenen Monaten einiges bewegt. Der Milchviehbetrieb im nordhessischen Mörshausen ist die erste deutsche Klima-Milchfarm, die die Molkerei Hochwald, die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) und Nestlé Deutschland gemeinsam im Dezember 2021 ins Leben gerufen haben. Ziel des Pilotprojektes ist es, den Fußabdruck des Betriebs mit 135 Kühen innerhalb von drei Jahren rechnerisch auf netto-null Emissionen zu bringen. Als beratende Partner:innen stehen dem Projektteam außerdem das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft und die Bodensee Stiftung zur Seite.
Rohstoff Milch verursacht die meisten Treibhausgasemissionen in Nestlés Lieferkette
Mario Frese ist einer von rund 2.600 deutschen Landwirt:innen, die Hochwald mit Milch beliefern. Hochwald versorgt Nestlé Deutschland unter anderem mit Mozzarella-Käse für die Nestlé Wagner Pizzen. „Milch ist einer unserer wichtigsten Rohstoffe. Gleichzeitig verursacht dieser Rohstoff die meisten Treibhausgase in unserer Lieferkette. Hier können wir also viel bewegen“, erklärt Corinna Weinmiller, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Nestlé Deutschland. Marc Boersch, Vorstandsvorsitzender von Nestlé Deutschland, betont den engen Schulterschluss zwischen Landwirtschaft und Industrie beim Klimaschutz: „Der Klimawandel ist präsent wie nie und die Zeit drängt. Nur gemeinsam mit Partner:innen können wir etwas erreichen. Der Hof von Mario Frese ist eine von weltweit über 45 Pilotfarmen bei Nestlé. Mit einem Ziel: emissionsarme Milchfarmen zum weltweiten Standard für uns zu machen. Damit kommen wir unserem ambitionierten Klimaziel, der Grünen Null bis 2050, einen Schritt näher“.
Möglichst viele Landwirt:innen sollen vom Pilotprojekt profitieren
Für Hochwald ist das Projekt ein wichtiges Modell für andere Landwirt:innen. „Die Klima-Milchfarm auf dem Hof unseres Genossenschaftsmitglieds passt sehr gut zu unserer strategischen Ausrichtung, die wir 2017 neu definiert haben. Sie ergänzt und unterstützt unsere eigenen Klimaziele. Von dem, was wir hier zusammen mit allen Beteiligten lernen, sollen auch andere Landwirte profitieren. Die Unterstützung unserer Landwirte auf dem gemeinsamen Weg ist uns besonders wichtig. Zusätzlich sollen die Fortschritte im Bereich Tierwohl und Nachhaltigkeit für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden“, sagt Detlef Latka, Geschäftsführer Hochwald. Auch Mario Frese ist überzeugt, dass sein Betrieb Vorbild werden kann: „Wir lernen jeden Tag mehr darüber, wo Emissionen entstehen, wie wir sie senken können und was uns das kostet. So zeigen wir mit wissenschaftlich fundierten Daten, wie eine moderne Milchproduktion aussieht – und welche Hebel auch andere haben, auf weniger Emissionen umzustellen.“
Emissionen auf dem Hof liegen bei Projektstart bei 1,07 Kilo CO2e pro Liter Milch
1.359 Tonnen CO2e pro Jahr – so viele Emissionen entstehen jedes Jahr auf dem Hof Frese. Umgerechnet sind das 1,07 Kilo CO2e pro Kilogramm Milch. Nun werden die Treibhausgase durch zahlreiche Maßnahmen in sechs Bereichen so weit wie möglich reduziert: etwa bei der Ernährung der Kühe, beim Futteranbau, bei der Tierhaltung, beim Ackerbau, dem Güllemanagement und der Energieerzeugung. Verbleibende Emissionen sollen durch natürliche Kohlenstoffspeicher auf Feld und Acker ausgeglichen werden.
Optimales und nachhaltig bezogenes Futter sorgt für weniger Treibhausgase
Wenn Kühe optimales Futter bekommen, können sie es besser verwerten. Die Folge: sie geben mehr Milch – und die Emissionen pro Kilo Milch sinken. Stephan Schneider, Professor für Tierernährung an der HfWU, erklärt: „Wir arbeiten auf dem Hof Frese mit einem umfangreichen Futteranalyseplan. Damit die Kühe kontinuierlich Zugang zum Futter haben, hilft der neue Futteranschieberoboter. Er schiebt das Futter achtmal am Tag wieder zu den Tieren am Futtertisch, wenn sie es wieder bei der Suche nach den besten Futterbestandteilen weggeschoben haben“. Ebenso entscheidend ist der nachhaltige Bezug des Kraftfutters. „Das Futter der Kühe ist größtenteils aus Eigenanbau. Zusätzlich setzen wir Kraftfutter mit geringem CO2-Fußabdruck ein“, so Schneider.
Acker- und Grünlandflächen nutzen, um verbliebene Emissionen zu binden
Während auf dem Hof Emissionen reduziert werden, können die Acker- und Grünflächen CO2 speichern. Dies geschieht beispielsweise durch konservierende Bodenbewirtschaftung, mit welcher versucht wird Humus zu erhalten. Auch Hecken können viel CO2 speichern. Anstelle von Mineraldünger wird möglichst organischer Dünger, also Gülle und Mist, genutzt. „Wir bauen zudem verstärkt Kleegras und ein Gemenge aus Mais und Stangenbohnen an. Zudem planen wir 2023 in größerem Umfang Hülsenfrüchte wie Lupinen, Erbsen oder Ackerbohnen anzubauen. So verringern wir den Mineraldüngereinsatz aus energieintensiver Produktion“, erklärt Markus Frank, Professor für Pflanzengesundheitsmanagement an der HfWU. „Mit Hilfe digitaler Techniken können wir zudem für jede Teilfläche optimierte Mengen an Saatgut und Düngemittel bestimmen und ausbringen“. Auch Zwischenfrüchte und Blühsteifen entlang des Ackers helfen CO2 zu speichern – und fördern gleichzeitig die Biodiversität.
Klima-Milchfarmen sind wichtige Projekte, um weltweite Klimaziele zu erreichen
Nestlé hat sich verpflichtet, bis 2030 ihre Treibhausgasemissionen weltweit zu halbieren und bis 2050 ein Netto-Null-Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu werden. KlimaMilchfarmen auf der ganzen Welt sollen dabei helfen, diese Ziele zu erreichen. Das Unternehmen hofft, dass auch bei der UN Generalversammlung, die am Dienstag, 13. September in New York beginnt, weitere wichtige Weichen für den internationalen Klimaschutz gestellt werden.