Bitte beachten Sie, dass es sich bei diesem Beitrag um keine Pressemitteilung, sondern um einen Blogpost handelt.
In meinem zweiten Blogbeitrag möchte ich mich der Frage widmen, die ich am häufigsten gestellt bekomme: Warum macht ihr das? Eine wirklich ausgezeichnete Frage, die man ruhig häufiger, in verschiedensten Kontexten stellen sollte. Es gibt tatsächlich mehrere Gründe, im folgenden Text werde ich auf einige der Potenziale eingehen, die in der Mikroalgen-Technologieschlummern. Oder besser, die ich in der Technologie sehe. Keine Angst, ich werde nicht irgendwelche mehr oder weniger realistischen Zukunftsszenarien erspinnen oder über die Welt von morgen fabulieren. Um Kultivierungstechnologie soll es schließlich später gehen.
Sehr stark vereinfacht, kann man die Vorteile der Mikroalgen-Technologie in zwei Kategorien einteilen. Einmal das, was man damit unschädlich machen oder rückgewinnen kann (z. B. CO2oder Nährstoffe wie Phosphor) und zum anderen, was man damit produzieren kann. In diesem Text soll es um letzteres gehen, nämlich die Produkte aus Mikroalgen.
Proteine
Proteine sind eine große Gruppe an biologischen Molekülen, die aus Aminosäuren aufgebaut sind. Sie eint eine spezielle chemische Bindung und dass sie neben Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff auch aus Stickstoff bestehen. Umgangssprachlich werden Proteine auch »Eiweiße« genannt.
Unsere Mikroalgen bestehen zu ungefähr 45 bis 60 Prozent aus Proteinen. Der Wert ist jedoch stark abhängig von der Algenart und dem Kultivierungsprozess. Besonderes Interesse an unseren Proteinen besteht in der Nahrungsmittelindustrie. Hier wird gerne zwischen Proteinen unterschieden, welche sich in Wasser lösen, und solchen, die das unter normalen Bedingungen nur schlecht tun. Erstere sind natürlich vor allem für Getränke interessant, letztere eher für feste Lebensmittel. Proteine können aber auch therapeutische Wirkungen haben, was wiederum für die Pharmabranche von Belang sein kann.
Kohlenhydrate
Unter Kohlenhydrate fällt alles, was irgendetwas mit Zuckern zu tun hat. Also entweder einzelne Zuckermoleküle oder lange Zuckerketten. So sehr mich die einzelnen Zuckermoleküle im privaten auch interessieren, sind die wirklich spannenden Themen bei den Zuckerketten (Polysaccharide) zu finden. Diese Zuckerketten unterscheiden sich darin, aus welchen Zuckermolekülen sie bestehen und wie die einzelnen Zuckermoleküle miteinander verknüpft sind. Mikroalgen nutzen solche Zuckerketten zum Beispiel als Strukturelement in der Zellwand oder im Zellinneren, um Energie und Kohlenstoff zu speichern. Im Moment interessieren mich besonders letztere, da eine bestimmte Zuckerkette mein Promotionsthema ist.
Die meisten Mikroalgen nutzen solche Zuckerketten in irgendeiner Form als Energiespeicher. Um welche Form es sich dabei handelt, ist von der Algenart abhängig. Je nach Kultivierungsprozess kann der Gehalt der Zuckerketten dabei bis zu 40 Prozent der Biomasse betragen. Die Anwendungsfelder für diese Zuckerketten sind dabei so unterschiedlich wie die Formen der Zuckerketten selbst. Nehmen wir zum Beispiel mal die Stärke. Diese kennt jeder von zu Hause, ist sie doch ein wichtiger Bestandteil unserer Nahrung (z. B. Brot, Nudeln).
Man kann Stärke aber auch als Grundstoff für Klebstoff oder für das Festigen von Wäsche einsetzen. Wobei das Stärken, glaube ich, aus der Mode gekommen ist. Bei meinem Promotionsthema handelt es sich übrigens um den Energiespeicher von Kieselalgen. Die dafür genutzte Zuckerkette wurde auf den unkomplizierten Namen »Chrysolaminarin« getauft. Aufgrund der Art, wie die Zuckermoleküle verknüpft sind, wird das Chrysolaminarin der Gruppe der Beta-Glucane zugeschrieben. Diese spezielle Form kann von Menschen, Tieren und Pflanzen »detektiert« werden. Der Verzehr oder, im Fall der Pflanzen, ein Kontakt führt zu einer Immunantwort des betreffenden Organismus, den man sich zunutze machen kann. Gemeinsam mit verschiedenen Partnern untersuchen wir daher im Moment unterschiedliche Anwendungsfelder.
In einer neuen Studie an Zebrafischen konnten Projektpartner zeigen, dass der Verzehr von Chrysolaminarin dazu führt, dass der Cholesteringehalt im Blut der Fische abnahm. Chrysolaminarin könnte also auch eine Zukunft als Cholesterinsenker in der menschlichen Ernährung haben. Eine Studie am Menschen steht freilich noch aus. Da sich Chrysolaminarin allerdings gut in Wasser löst, lässt sich daraus bestimmt ein interessantes Produkt kreieren. Falls sich also ein geneigter Industriepartner unter meinen Lesern befindet, freue ich mich natürlich über eine Nachricht! Wie bereits erwähnt, reagieren auch Pflanzen auf einen Kontakt mit Chrysolaminarin. So fahren sie nach einem Kontakt auf den Blättern ihre Abwehrmechanismen hoch und sind somit im Anschluss in der Lage, zum Beispiel eine Pilzinfektion besser abzuwehren.
Im Moment untersuchen wir gemeinsam mit Partnern, wie sich dieser Effekt zum Schutz von Pflanzen in der Landwirtschaft nutzen lässt. Genauer gesagt geht es darum, die Menge an Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Im Visier haben wir dabei erstmal das Kupfer im Bioanbau, da bei vielen Pflanzenschutzmitteln im konventionellen Anbau die Aufwandmenge genau vorgeschrieben ist.
Fettsäuren
Fettsäuren sind ebenfalls eine sehr große und in sich vielseitige Stoffgruppe. Mikroalgen weisen eine große Bandbreite an Fettsäuren auf und, wie könnte es anders sein, diese unterscheiden sich in ihrer Anwendung. Und auch darin, was man tun muss, um die Mikroalgen dazu zu bewegen, diese vermehrt zu bilden. Bevor ich hier zu weit aushole, beschränke ich mich auf zwei Klassen von Fettsäuren und deren mögliche Anwendung. Omega-3-Fettsäuren, die zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren gehören, und einfach ungesättigte Fettsäuren. Der Begriff der Omega-3-Fettsäuren wird einigen von Ihnen aus der Ernährung oder der Werbung für Nahrungsmittel bekannt vorkommen. Und in der Tat findet sich in der menschlichen Ernährung eine interessante Anwendung.
Mikroalgen enthalten einen recht großen Anteil an Omega-3-Fettsäuren. Darüber hinaus gehören Mikroalgen zu den wichtigsten Primärproduzenten dieser Fettsäuren in der Nahrungskette. Das heißt, die Mikroalgen produzieren diese besonderen Fettsäuren und alle Organsimen, die ihnen in der Nahrungskette folgen, profitieren davon, indem sie entweder die Mikroalgen direkt fressen oder jemanden fressen, der die Mikroalgen gefressen hat. So auch wir Menschen. Denn unser Körper benötigt Omega-3-Fettsäuren zwar, um richtig zu funktionieren, kann sie aber nicht in ausreichendem Maße selbst herstellen. Wir müssen sie ihm also in Form unserer Nahrung zuführen. Vor allem wir in der westlichen Welt essen zwar viel zu viel Fett, aber leider scheinbar das falsche, sodass viele von uns einen Mangel an Omega-3-Fettsäuren aufweisen. Eine wichtige Quelle für Omega-3-Fettsäuren ist Fisch. Deshalb wird ja auch empfohlen, viel davon zu essen. Fisch selbst hat einen nicht unerheblichen Teil dieser Fettsäuren aus seiner Nahrung: den (Mikro-)Algen. Wir könnten also den Fisch einfach in Ruhe lassen und direkt die Algen essen. Und ja: Wir arbeiten am Geschmack und an der Darreichungsform.
Einfach ungesättigte Fettsäuren sind im Gegensatz zu den Omega-3-Fettsäuren in der Bevölkerung weniger bekannt. Sie können aber zu Stoffen verarbeitet werden, die wir alle in unserem täglichen Leben nicht missen wollen, aber aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden. Einfach ungesättigte Fettsäuren kann man als Basis für Biodiesel nutzen oder als Grundstoff für Kunststofffasern, die sich in der Textilindustrie einsetzen lassen. In beiden Fällen können sie dort herkömmliche Grundstoffe auf Erdölbasis ersetzen.
Pigmente/Farbstoffe
Farbstoffe sind vielleicht eine noch unterschiedlichere Gruppe als alle vorangegangenen. Mikroalgen produzieren eine riesige Bandbreite in allen erdenklichen Farben. Einige von ihnen sind an der Photosynthese beteiligt, andere dienen als Radikalfänger oder Sonnenschutzpigment. Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich vor allem mit einem roten Farbstoff aus Kieselalgen − Fucoxanthin. In Fütterungsexperimenten an Mäusen hat dieser Farbstoff zum Beispiel eine Anti-Adipositas-Wirkung gezeigt. Gleichzeitig verkleinerten sich die Fettablagerungen in der Leber von (übergewichtigen) Mäusen. Der Farbstoff könnte also potenziell gegen die Volkskrankheit der Fettleber helfen, die nicht durch übermäßigen Alkoholkonsum hervorgerufen wird.