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Interview

Kompetenzzentrum Biointelligenz e.V.: Natur, Technik und Informationswissenschaft wachsen zusammen

Doch wie kann Baden-Württemberg den Weg der Biologischen Transformation beschreiten? Die Experten Herr Professor Dr. Thomas Bauernhansl, Vorstandvorsitzender des Kompetenzzentrums Biointelligenz e.V., Frau Professorin Dr. Julia Fritz-Steuber, stellvertretende Vorsitzende des Kompetenzzentrums Biointelligenz e.V. und Herr Professor Dr. Ralf Kindervater, Geschäftsführung BIOPRO Baden-Württemberg, geben im Gespräch einen Einblick in die Zukunft der Biointelligenz in Baden-Württemberg.

Warum war es so wichtig, den Verein Kompetenzzentrum Biointelligenz e. V. in diesem Jahr zu gründen?

Der Oberkörper eines Mannes mit schwarzem Pullover
Professor Dr. Thomas Bauernhansl ist Vorstandvorsitzender des Kompetenzzentrums Biointelligenz e.V. und Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. © Fraunhofer IPA

Prof. Bauernhansl: Wenn die Digitale Transformation nicht parallel auch von der Biologischen Transformation – allem voran der Biointelligenz – begleitet wird, dann werden wir die aktuellen Herausforderungen auf unserem Planeten nicht bewältigen. Im Verein unterstützen Forschungseinrichtungen aus dem Stuttgarter Raum das Zusammenwachsen von Natur, Technik und Informationswissenschaft und bringen das Paradigma der Biointelligenz in die Breite. Er ist einerseits die Dachorganisation eines bereits seit 2019 bestehenden Forschungsnetzwerks, er ist darüber hinaus aber auch in den Bereichen Transfer, Vernetzung und Veranstaltungen aktiv. Durch die Institutionalisierung entsteht ein erheblicher Schub für die Sichtbarkeit dieses Themas in der Region und darüber hinaus. Das halte ich für unverzichtbar.

Prof. Fritz-Steuber: Die Vereinsgründung kam zur rechten Zeit, denn so schaffen wir einen Raum der Begegnung, in dem Personen, Experten und Institutionen aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft an einem Strang ziehen, um die Biologische Transformation auf den Weg zu bringen.

Welchen Beitrag zu einer nachhaltigeren Wirtschaft kann die Biointelligenz leisten?

Prof. Bauernhansl: Es lassen sich damit sehr viele Probleme lösen, die etwa durch den demografischen Wandel, die Globalisierung, die Individualisierung der Gesellschaft, den Klimawandel oder die weltweit zunehmende Knappheit an natürlichen Ressourcen hervorgerufen werden. Durch das Zusammenwirken der Disziplinen Biologie, (Produktions-)Technik und Datenverarbeitung kann eine nachhaltige, technologiebasierte Bedarfswirtschaft entstehen. Hier entwickelt sich eine fortschrittliche Wirtschaftsform, welche die physikalischen Grenzen unseres Planeten berücksichtigt.

Eine Frau mit langen Haaren. Sie trägt einen grauen Schal und einen dunkel blauen Blazer.
Professorin Dr. Julia Fritz-Steuber ist stellvertretende Vorsitzende des Kompetenzzentrums Biointelligenz e.V. und Prorektorin für Forschung an der Universität Hohenheim. © Universität Hohenheim (Foto: Jan Winkler)

Prof. Fritz-Steuber: Nachhaltigkeit in allen Bereichen unseres Daseins ist ein Kernthema der Universität Hohenheim. Als Gründungsmitglied des Vereins wird sich die Universität Hohenheim hier besonders engagieren, denn Hochschulen sind Orte neuer biointelligenter Ideen, die es oft wert sind, in die Anwendung gebracht zu werden, um unsere Wirtschaft nachhaltiger zu machen.

Prof. Kindervater: Die Biointelligenz kann in diesem Strukturwandel wichtige Impulse liefern, um Potenziale und Lösungsansätze für einen intelligenten Umgang mit Kohlenstoff basierten Materialien aufzudecken und damit einen wichtigen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen des Landes Baden-Württemberg leisten. Wir brauchen dazu aber ein abgestimmtes Vorgehen und eine konkrete Strategie, wie das Konzept der Biointelligenz umgesetzt werden und zur Transformation und zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Bundeslandes beitragen kann.

An welchen Stellen sehen Sie in Baden-Württemberg ein großes Entwicklungspotenzial mithilfe der Biointelligenz?

Professor Dr. Ralf Kindervater ist Geschäftsführer der BIOPRO Baden-Württemberg und Honorarprofessor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in der Fakultät für Chemieingenieurwesen und Verfahrenstechnik. © Thomas Köhler – photothek GbR

Prof. Bauernhansl: Zweck des Vereins ist ja die inhaltliche Weiterentwicklung und Verstetigung der Biointelligenz im nationalen und internationalen Kontext, um nachhaltige Innovationen für eine zukunftsfähige Wertschöpfung zu realisieren. Die BIOPRO-Studie hat es ja erneut bestätigt, dass hier in zahlreichen Themenfeldern enormes Potenzial besteht. Allen voran sind hier die Pharmazeutische Industrie, die personalisierte Medizin, zu nennen. Überhaupt die Prozessindustrie bietet viel Potenzial für den Wandel hin zur Biointelligenz. Aber auch im Bereich Nahrung (z.B. künstliches Fleisch), Architektur (z.B. atmende bionische Gebäudehüllen) oder KI-Robotik in der Produktion sehen wir riesige Potenziale. McKinsey spricht in einer Studie davon, dass weltweit 60 Prozent aller Produktionsprozesse künftig mit biologischen Stoffen erfolgen könnten. Die Liste kann also noch weiter fortgesetzt werden….

Prof. Fritz-Steuber: …und lassen Sie uns hier nicht die wichtigen Innovationen im Bereich der Landwirtschaft und Ernährung vergessen, die wir unbedingt brauchen, um die Emission von Treibhausgasen zu senken und die Klimaziele zu erreichen. Hier setzen wir auf biointelligente Lösungen, die nachhaltig und an die Bedürfnisse einer wachsenden Menschheit angepasst sind. In beiden Sektoren gibt es bereits jetzt starke Player in Baden-Württemberg, die dank biointelligenter Ansätze, Verfahren und Produkte neue Märkte erschließen könnten.

Prof. Kindervater: In der von Prof. Bauernhansl gerade erwähnten Studie „Potenzialanalyse und Roadmapping Biointelligenz“, die BIOPRO zusammen mit dem Fraunhofer ISI und der finanziellen Förderung des Wirtschaftsministeriums erstellt hat, wird eine modulare Aktions-Roadmap für sieben Jahre mit verschiedenen Modulen vorgestellt. Mit den Modulen wie beispielweise der Projektförderung in der Pilot- und Umsetzungsphase können die oben genannten Themen auf den Weg gebracht werden.

Technologie von morgen

Den Klimawandel zu bekämpfen, ist eine der wichtigsten Aufgaben von heute. Doch um Emissionen zu verringern, braucht es neben dem notwendigen verringerten Ressourcenverbrauch auch Innovationen, die alle Lebensbereiche erneuern können. Biointelligente Wertschöpfung könnte ein Bestandteil dieses Transformationsprozesses sein.

Seiten-Adresse: https://www.bio-pro.de/aufgaben/biologische-transformation/aktuelles/kompetenzzentrum-biointelligenz-ev-natur-technik-und-informationswissenschaft-wachsen-zusammen